Montag, 3. Juni 2024
Erschaffung der Realität
bouquinist, 09:57h
Die experimentelle Prosa wird dadurch gekennzeichnet, dass man auf etwas stößt, dass einem noch nie vorher begegnet ist, sei es eine Idee oder eine spezielle Form oder ein bestimmter Bruch im Rhythmus, und dadurch viele Möglichkeiten der Reflexivität ermöglicht werden. Diese Art der Prosa ist tendenziell nachdenklich und nicht-normativ, kann also durch veränderte Zustände, Theorien, Geschichte, Poetik, Literaturkritik und Kunst hervorgerufen sein, wenn auch nicht unbedingt durch eine bewusste Absicht. Der Text neigt dazu, emergent und obskur zu sein, möglicherweise kommentiert er seine eigene Entstehung.
Experimentelle Prosa wirbt um Abschweifung und Herausforderung. Das bedeutet natürlich auch, dass der Autor sich darüber bewusst sein sollte - wie auch der Leser - dass Schreiben (das Erschaffen von Kunst ganz allgemein) Realitäten erst erzeugt. Die ethische Wertigkeit ist klar: Literatur wirkt immer auf eine wie auch immer geartete Realität ein. Anstatt einen "realistischen" Charakter zu konstruieren, der wie Frankensteins Monster aus verstreuten, potentiell funktionalen, willkürlichen Teilen zusammengesetzt ist, könnte ein gegebener (oder entstehender) Text selbst als so etwas wie eine Person oder ein Monster verstanden werden. Ein Text könnte einer Stadt, einem Ort ähneln, nicht weil er einen solchen beschreibt (obwohl er das könnte), sondern weil das Lesen (und das Schreiben) das lebendige Sein in einem fiktiven Irgendwo stattfinden lässt, das vielleicht auch das Sein von jemand anderem ist.
Die größte Angst des Dichters - und zugleich seine Faszination - ist seit Arthur Rimbaud die Möglichkeit, die ganze Zeit jemand anders gewesen zu sein. Das bedeutet aber auch, dass das "Ich" nicht gegeben, sondern zusammengesetzt ist, vererbt, historisch, ontologisch und seltsam seriell, propositional. Was wird aus dem Mechanismus der ersten Person oder des Charakters, wenn eine bestimmte Fiktion sie als Mechanismus entlarvt, wie es in der postmodernen Literatur Gang und Gäbe ist?
Experimentelle Prosa wirbt um Abschweifung und Herausforderung. Das bedeutet natürlich auch, dass der Autor sich darüber bewusst sein sollte - wie auch der Leser - dass Schreiben (das Erschaffen von Kunst ganz allgemein) Realitäten erst erzeugt. Die ethische Wertigkeit ist klar: Literatur wirkt immer auf eine wie auch immer geartete Realität ein. Anstatt einen "realistischen" Charakter zu konstruieren, der wie Frankensteins Monster aus verstreuten, potentiell funktionalen, willkürlichen Teilen zusammengesetzt ist, könnte ein gegebener (oder entstehender) Text selbst als so etwas wie eine Person oder ein Monster verstanden werden. Ein Text könnte einer Stadt, einem Ort ähneln, nicht weil er einen solchen beschreibt (obwohl er das könnte), sondern weil das Lesen (und das Schreiben) das lebendige Sein in einem fiktiven Irgendwo stattfinden lässt, das vielleicht auch das Sein von jemand anderem ist.
Die größte Angst des Dichters - und zugleich seine Faszination - ist seit Arthur Rimbaud die Möglichkeit, die ganze Zeit jemand anders gewesen zu sein. Das bedeutet aber auch, dass das "Ich" nicht gegeben, sondern zusammengesetzt ist, vererbt, historisch, ontologisch und seltsam seriell, propositional. Was wird aus dem Mechanismus der ersten Person oder des Charakters, wenn eine bestimmte Fiktion sie als Mechanismus entlarvt, wie es in der postmodernen Literatur Gang und Gäbe ist?
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