Dienstag, 11. Juni 2024
Die Servierdame
Ich erwache erneut. Es ist immer ein Wunder dafür verantwortlich. Manches davon erscheint mir wie eine Schallplatte – rund. Und dann befinde ich mich an einem anderen Ort, der wie ein Damm um mich herum gebaut ist. Manchmal denke ich an seinen Schutz, manchmal denke ich an eine Trennung. Die Welt hat ihren Zustand verändert, ist jetzt gasförmiger denn je.

Es gibt Menschen; zumindest glaube ich, dass es sich um Menschen handelt, wenn ich ihnen auf der Straße begegne und sie mich in ihre Einkaufstüten schauen lassen. Es schwebt mir noch immer dieses schwarze Ding vor den geschlossenen Augen, das eine Störung der Netzhaut sein mag. Noch einmal werde ich aufräumen müssen, die Gabeln müssen bei den Gabeln liegen.

Sie trägt ihr Kostüm wie eine Uniform, aus langweiligen Stoffbahnen geschnitten, eine Schürze. Die Schaufensternacht bricht herein wie eine Enterdregge, die in die Rahen haut, das weiße Linnen, das sich noch vor Stunden mit vor Stolz geschwelltem Busen gegen den Salzauswurf gestemmt hat, Wachablösung, Schichtwechsel. Aber dann läuft sie zwischen beleuchtetem Glas hindurch, für einen Augenblick der optischen Täuschung unsichtbar, unberührbar von echten Händen, kehrt zurück und öffnet ihr schwarzes Ungeheuer, in dem die Münzen liegen, die nicht ihr Material Wert sind. Sie steht da und ist ihm vollkommen zu Diensten, möchte jetzt den Verkehr mit ihm zu einem Abschluss gebracht haben. Ich bezahle Teile ihres Midnight-Blue-Nagellacks. Müsste ich mich entscheiden, welchen Finger ich ihr abschneiden würde, käme für mich nur der kleine infrage. Den Kaffee bezahle ich nicht.

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Montag, 10. Juni 2024
Zwischen Sekunden
Es ist etwas im Wetter. Die Dunkelheit zieht sich ihr Nachthemd an und versinkt in der Psyche. Zumindest sträubt sich mein molekulares System, in irgendeiner Form teilzunehmen. Ich glaube nicht, was ich sehe, denn was ich sehe ist nicht für ein Gläubchen zu haben, weshalb ich mir eben nur jene Dinge besehe, die direkt mit mir in Verbindung stehen können. In irgendeiner Form wartet man immer auf den Tod; was man zwischendrin gesehen, kann man getrost mitnehmen. Auch habe ich immer mehr Lust, auf die Dinge zwischen den Dingen zu hören. Gut, es schlägt die Uhr, und gut, sie tickt auch, aber eine Sekunde ist so verdammt lang, dass man dazwischen recht gut mehrere Jahre in Ruhe leben kann.

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Samstag, 8. Juni 2024
Träumen oder wachen
Als ich noch zur Schule ging, wunderte ich mich bereits über die Welt, die daraus bestand, die Frage nach dem Alter zu beantworten. Wusste man das, war das Sternzeichen dran. Natürlich wäre es unsinnig anzunehmen, man bekäme als dreijähriger die Frage nach dem Jenseits gestellt.
"Kannst du dich daran erinnern, wie es war, bevor du geboren wurdest?"
Die Antwort wäre ohnehin nein gewesen, denke ich mir jetzt. Aber was wäre gewesen, wenn man sie mir damals gestellt hätte? Hätte ich etwas dazu sagen können?
"Weißt du, wo du dich befindest?"
Ich wusste nur, dass alles verschwimmt, wenn man es zu lange anstarrt. Ich wusste, dass ich wie in einem bierseligen Rausch umher lief, ohne wirklich besoffen zu sein. Ich träumte, wie ich lebte, da gab es keinen nennenswerten Unterschied. Ich lag im Bett, schloss die Augen und war immer noch draußen vor dem Haus. Die einzige Ausnahme war vielleicht, dass ich im Traum schwerelos war und herumfliegen konnte. Es war mir ein leichtes, über die Telefonleitungen zu hüpfen. Das ging soweit, dass ich bei Tag Angst bekam, wie ein Ballon aufzusteigen und nicht mehr nach unten zu kommen. Träumen oder Wachen waren tatsächlich dasselbe, aber wenigstens hatte ich bei Tag etwas Gewicht. Selbst wenn ich nur ein Kilo gewogen hätte, sagte ich mir, bliebe ich unten, denn ein Milchbeutel schwebt auch nicht einfach davon. Aber davon wollten die Leute nichts wissen, sie fragten mich nur, wie alt ich sei und warum mich meine Eltern nicht zum Friseur schleppten. Nun, es waren die 70er, da gab es keine Friseure.

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